Was ist Magie?

Eine kurze Einführung zu einigen zentralen Punkten.

Was ist Magie?

Das Wort "Magie" stammt aus dem Iranischen, d.h. dem Altpersischen, wo es magus bedeutet, d.h. Wissender, Gelehrter oder Erkennender. Die sogenannten Magi bzw. Magoi waren eine antike Gruppe (um das Jahr 1.ooo v. Chr.), die damals eine Priesterkaste bildeten.

I. Ursprünge

Magie ist für viele Menschen seit Jahrhunderten, wenn nicht seit Jahrtausenden, ein geheimnisumwittertes Wort. Wie viele exzellente Köpfe haben sich schon mit dieser schwierigsten, vielseitigsten und faszinierendsten aller Geheimwissenschaften beschäftigt – Befürworter ebenso wie Spötter und Gegner, Eingeweihte und Adepten ebenso wie Ignoranten.

Das Thema des Individualismus und der Unabhängigkeit ist tief in die kulturelle Wahrnehmung des westlichen Magiers eingewoben. Oft werden sie als eigenartige und eigenwillige Exzentriker angesehen, die sich keiner fremden weltlichen oder kosmischen Macht beugen wollen, als Individualisten, die in den Augen anderer das "Sakrileg" wagen, sich nicht mit dem abspeisen zu lassen, was ihnen Religion und Gesellschaft, Priester und weltliche Herrscher als Realität vorsetzen. Sie nehmen sich die Freiheit, ihre eigenen Maßstäbe der Vernunft, der Moral und der Alltagsethik zu definieren.

Das Wort Magie lässt sich etymologisch, laut Herodot (geb. ~480 v. Chr.), auf die persischen Priester, den Stamm der Weisen, zurückverfolgen. Sie waren berühmt für ihre astrologischen Kenntnisse sowie für ihre Fähigkeit, aus Träumen zu weissagen.

Andere Etymologen ziehen es vor, den Begriff "Magier" mit dem Wort "Glück" in Verbindung zu bringen, wie es im indogermanischen Verbstamm mãgh (megh = können, Glück haben) vorkommt, daher die Verwandtschaft mit dem Wort "Macht".

II. Vertreter und Begleiter

Ein Magier war schon immer ein faustischer Psychonaut und Seelenreisender, ein Mensch, der hinter den "Schleier" zu blicken versuchte, ein Mensch, der nicht eher ruhte, bis er ergründet oder zumindest erahnt hatte, was die Welt im Innersten zusammenhält.

Zarathustra galt als Magier, aber auch Moses, Salomo, Jesus von Nazareth oder Milarepa. Raimundus Lullus gehörte zu dieser Gruppe von Andersdenkenden und wie er andere wie Jaques de Molay, Agrippa von Nettesheim, Theophrastus Bombastus Paracelsus, Athanasius Kircher, der Comte de Saint Germain und viele mehr. Die Liste ließe sich beliebig verlängern, umfangreich mit realen historischen Figuren, fast unbegrenzt mit mythischen. Doch diese Liste hat nie aufgehört, sich zu erweitern. Ständig kommen neue Namen hinzu, trotz aller Verfolgung durch Kirche und Staat, und sogar trotz des Anbruchs der sogenannten Aufklärung des Rationalismus.

Zeugen unserer Zunft waren und sind Robert Fludd, Dr. John Dee, Frances Barrett, Alan Bennett, Eliphas Levi, Papus (Dr.med. Gérard Encausse), Stanislas de Guaïta, Sâr Merodack Joséphin Péladan, Samuel Liddell McGregor Mathers, Arthur Waite, Dion Fortune, Karl Kellner, Theodor Reuss, Aleister Crowley, Austin Osman Spare, Ludwig Staudenmaier, Franz Sättler alias Dr. Musallam, Rah-Omir Quintscher, Frantisek Bardon (Franz Bardon), Herbert Fritsche, Eugen Grosche alias Gregor A. Gregorius, Karl Spiesberger und viele mehr. Diejenigen, die noch leben, möchte ich aus Gründen der Vorsicht und der fehlenden historischen Distanz von dieser ohnehin unvollständigen Liste ausnehmen.

Sie sehen: Wer sich für den Weg der Magie entscheidet, findet sich in einer recht illustren Gesellschaft wieder. Dazu gehören, wie in jeder großen "Familie", hervorragende Fachleute und echte Genies ebenso wie Einfaltspinsel und echte Stümper; und nicht zu vergessen, natürlich leider auch, viele Scharlatane.

III. Schubladendenken?

Diejenigen, die sich von den magischen Künsten, so wie wir sie lehren, angezogen fühlen, sind immer Individualisten und lassen sich nur ungern in Kategorien pressen oder mit bequemen Namen wie Schwarzmagier, Weißmagier, Zauberer, Hexe, Magier, Wahrsager und dergleichen etikettieren. Denn keine dieser Bezeichnungen erklärt etwas, stattdessen kategorisieren und verfälschen sie wieder einmal vieles.

Die scheinbaren Widersprüche in den Schriften magischer Autoren lassen sich sowohl durch die oben erwähnte Buntheit ihrer Gemeinschaft erklären als auch durch die der Magie innewohnende Subjektivität, der wir immer wieder begegnen werden.

Für einen modernen Praktiker hat es viele Vorteile und einige Nachteile, sich mit den Werken älterer Autoren zu beschäftigen. Immerhin erspart es einem, das Rad immer wieder neu erfinden zu müssen. Stattdessen können wir gut auf den Schultern von Riesen stehen und gehen, besonders wenn wir einen scharfen Blick für historische Nuancen und Realitäten mitbringen. Indem wir dort beginnen, wo unsere Vorfahren (im Geiste) aufgehört haben, werden wir Teilhaber an den reichen Erfahrungen und den riesigen Wissensschätzen unserer Vorgänger.

IV. Historischer Kontext

Um magische Werke richtig beurteilen zu können, bedarf es freilich auch der Kenntnis um die geschichtlichen Zusammenhänge – beispielsweise die Funktion und Rolle christlicher Floskeln in mittelalterlichen Zauberbüchern (den sog. Grimoires [gespr.: Grimmoahs] oder, eingedeutscht: Grimoarien) werden Sie beispielsweise nur dann verstehen, wenn Sie auch um das geistesgeschichtliche Umfeld der damaligen Magier und der Zauberei wissen, wie beispielsweise um die Vormachtstellung der Kirche und den damit verbundenen Gefahren der Hexenverfolgung usw. Doch es muss dies auch ein kritischer Respekt sein: Nicht alles, was alt ist, ist deshalb gleich gut und auch in unseren Tagen geeignet. Vieles hat sich in die Tradition der Magie eingeschlichen, auf das heute bequem verzichtet werden kann, ja sogar sollte, wenn man bei der praktischen Beschäftigung mit ihr auch tatsächlich weiterkommen möchte.

V. Anwendung

Jede Form der Magie ist demselben wesentlichen Gesetz unterworfen: Magie hängt von ihrer praktischen Anwendung ab. Von naiven Handlungen der Volksmagie bis zur höchsten Anwendung der kosmischen Magie gibt es eine Vielzahl von Nuancen. Im Zentrum steht jedoch immer der menschliche Mut und die Entschlossenheit, sich aktiv einzubringen. – Mit zunehmender Entwicklung der magischen Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten wird sich der/die IMBOLC-SchülerIn nach und nach durch die verschiedenen Bereiche der Magie arbeiten – immer in einem ausgewogenen Verhältnis von theoretischem und praktischem Engagement.

Eine individuelle Begabung in spezialisierten Bereichen der Magie ergibt sich in der Regel erst dann, wenn ein solides Fundament an Wissen und Fähigkeiten in den vielen Bereichen der westlichen Magie erworben wurde. Magie erfordert, wie jede andere Fertigkeit auch, eine langsame, stetige und logische Entwicklung, vergleichbar mit den meisten anderen Handwerken, bei denen der Schüler traditionell die Position des Lehrlings, Gesellen und Meisters einnimmt. Missachtung oder Abweichungen von einer solchen schrittweisen und geführten Herangehensweise – es sei denn, man ist ein Genie von grandiosem Talent und Belastbarkeit – können leicht zu pathologischen Problemen auf körperlicher, geistiger oder/und spiritueller Ebene führen.

VI. Funktionalität

Die innere Dynamik der Magie basiert auf den Prinzipien der synchronistischen Beziehungen. Mit anderen Worten: Die Energie oder Kraft, die durch einen magischen Akt ausgelöst wird, kulminiert in der Erfahrung von Synchronizität, d.h. von Ereignissen, die signifikant zusammenhängen, aber keinen erkennbaren kausalen Zusammenhang zu haben scheinen.

Da den vermeintlich magischen Effekten ein klassischer Kausalnexus fehlt, werden sie heute – im 21. Jahrhundert – vor allem von den Vertretern der Naturwissenschaften belächelt und nicht ernst genommen. So wurde die Magie in das Reich des Zufalls oder der Stochastik (Wahrscheinlichkeitsrechnung) abgeschoben. Allerdings gibt es, wie in vielen modernen Büchern nachzulesen ist, auch einen Silberstreif am Horizont: Während die höhere Physik in immer feinere Details der Schöpfung vordringt (Quantenphysik), beginnt sie, viele der Axiome und Aussagen der hermetischen Tradition und der westlichen Magie im Allgemeinen zu bestätigen.

Nach einem kognitiven Modell der Magie wird sie gleichzeitig als eine Kunst (Intuition) und Wissenschaft (Verstand und Verständnis) definiert, die veränderte Bewusstseinszustände (Gnosis) in Harmonie mit dem menschlichen Willen nutzt, um Veränderungen auf der physischen, astralen und mentalen Ebene (Welt) zu bewirken. In einem animistischen Modell gilt die gleiche Definition, nur dass wir den Begriff "veränderte Bewusstseinszustände" mit "Geister" austauschen müssten. In dieser Hinsicht operiert IMBOLC völlig agnostisch, d.h. wir sind offen für eine Vielzahl von Ansätzen der Sinnstiftung, während wir uns ganz auf unsere Fähigkeit der Veränderungsstiftung konzentrieren.

Was am Ende zählt, ist nicht, ob wir uns eine schöne Theorie zurechtgelegt haben, warum Magie funktioniert, sondern dass wir die Fähigkeiten beherrschen, sie zuverlässig, sicher und in Übereinstimmung mit unserem eigenen Willen funktionieren zu lassen.

VII. Religion & Magie

Was Religion und Magie immer wieder miteinander in Berührung bringt, ist die theoretische und praktische Anerkennung eines transzendenten Lebensbereiches und die intime Auseinandersetzung mit diesem.

Dennoch wird in vielen religionsvergleichenden Studien eine strikte Trennung zwischen Magie und Religion vorgenommen, und das in unseren Augen zu Recht: In den meisten religiösen Verhaltensweisen drückt der Mensch seine Abhängigkeit von höheren Mächten aus und strebt daher danach, sich in das richtige Verhältnis zu ihnen zu stellen. Magisches Verhalten hingegen setzt voraus, dass der Mensch über einen viel größeren Freiheitsgrad verfügt. Es überrascht nicht, dass es sich oft als viel egozentrischer gegenüber der natürlichen und übernatürlichen Welt äußert. Magier handeln entschlossen. In einem wesentlich prometheischen Sinne greifen sie ebenso nach der Macht wie nach der Ermächtigung.

In der Magie sind wir denselben vielschichtigen Gefahren ethisch-moralischen Fehlverhaltens ebenso ausgesetzt wie in den Religionen. In ersterer läuft das Individuum Gefahr, zu leicht nach Macht zu greifen, in letzterer läuft es Gefahr, sie zu leicht unterwerfen. Deshalb können sowohl Magie als auch Religion, wenn sie nicht durch persönliche Integrität und Verantwortung ausgeglichen werden, zur Kunst des Teufels werden. Die Geschichte ist voll von Beispielen für beides.

In polemischer Reduktion kann Magie also als die einfache und unverhüllte Objektivierung bewusster Wünsche in der menschlichen Vorstellung definiert werden. Dies wird dadurch erreicht, dass der Magier lernt, sich die Kräfte, die sich in seiner Umgebung manifestieren, zu Nutze zu machen, und diese dann nicht nur für sein eigenes Wohl, sondern auch für das anderer einsetzt.

Nach einer solchen verkürzten Vorstellung müsste die Magie im Gegensatz zur Religion stehen: In scharfem Kontrast würde sie die Opposition von menschlichem Handeln vs. göttlichem Handeln ausdrücken. Magie muss also aus Sicht der etablierten Religionen immer blasphemisch sein, denn in einer solchen verkürzten Perspektive fehlt der Magie sowohl die Demut als auch der Wunsch zu dienen.

VIII. Einige Autoren & Zitate

Magische Operationen, richtig ausgeführt und ohne sich auf irgendeine Art von Charisma zu verlassen, erzeugen Wirkungsautomatismen. Dies wird in einem Vortrag von Adolf von Harless (München, 1858) über den Text De mysteriis Aegyptiorum von Jamblichos hervorgehoben:

'Die Eigentümlichkeit der magischen Zeichen, Symbole und Worte besteht darin, daß sie aus sich selbst heraus die Wirksamkeit ausüben, die ihnen zukommt, daß die unaussprechliche Macht der Götter, auf die sich dies alles bezieht, aus sich selbst heraus diese ihre Bilder erkennt und sie daher wirksam werden läßt, ohne daß die göttlichen Grundursachen vorher durch Gedanken zu ihrer Tätigkeit bestimmt und angeregt werden.'

Aus diesem Grund spielt gerade in der Ritualmagie die genaue Einhaltung der Ritualregeln eine so wichtige Rolle.

K.A. Nowotny wendet sich in seinem Werk Agrippa von Nettesheim (Graz, 1967) gegen eine Trennung von Magie und Religion:

Diese Unterscheidung sei eine "[...] europäische Interpretation und durch nichts gerechtfertigt. Der Europäer vermutet im Opfer (d.h. im religiösen Akt) zunächst einen Akt der Hingabe. In Wirklichkeit entspringt sie einer Fülle von Intentionen: nämlich der Bewahrung von Naturereignissen, der Reinigung, der Sühne und Versöhnung, der Bitte, dem Tribut und dem Vertrag, dem Zwang, der Verteidigung und der Vernichtung, der Erlangung göttlicher Kräfte, ganz zu schweigen von Unsterblichkeitstränken [...].'

Wir möchten Nowotny zumindest in Teilen widersprechen. Nach unserem Verständnis ist die Haltung des Magiers gegenüber der transzendentalen oder tellurischen Welt noch aktiver, 'autonomer', als man ihr gewöhnlich in besonders orthodoxen Religionen begegnet.

Die innere Haltung, die in Worten wie "Dein Wille geschehe" und "Nicht wie ich will, sondern wie Du willst" gipfelt und die freiwillige Bejahung eines göttlichen Heilsplanes als Axiom impliziert, ist dem Magier, der die übernatürliche Welt in seinen Dienst stellen will, zunächst fremd. Damit fällt auch die Anerkennung göttlicher Gnadenakte als Voraussetzung für sakrale Manifestationen weg. Daraus wiederum folgt unweigerlich: Der Magier kann nicht zu der magischen Kraft beten. Ein religiöses Gebet kann niemals aus einer magischen Formel entstehen, obwohl viele angebliche Magier dies praktizieren. In unseren Augen gibt es keinen geraden Weg vom Zauberspruch zum Gebet. Die innere Haltung des Betenden ist eine völlig andere als die eines Magiers.

IX. Orient

In arabischen Ländern wird die Magie sihr genannt. Hier findet man sie meist in zwei Teile geteilt: Tariqa al mahamuda ("weiße Magie") und Tariqa al madnuna ("schwarze Magie"). Die Sure II (102-106) des Korans erlaubt z.B. die Bedienung von Geistern und Dämonen durch magische Beschwörungen. Dies führt also auch zur verbotenen Auslegung und Verwendung des Korans für ausschließlich eigennützige Magie und okkulte Praktiken.

X. Formen der Magie

Der oft behauptete Übergang von der goetia (“schwarze Magie”) zur Theurgie (“weiße Magie”) ist von älteren Autoren heftig bestritten worden, so etwa von dem berühmten Alchemisten Alexander von Suchten (16. Jahrhundert), der in seinem De tribus facultatibus schreibt: “Magia ist nicht Magie, sondern die größte Weisheit des göttlichen Werkes und ein Erkenner der verborgenen Natur”. Und Julius Sperber (17. Jh.) unterscheidet eine göttliche Magie (magia divinia oder magia coelestis), “die die himmlische oder göttliche Weisheit ist”, und eine menschliche Magie, “die sich mit Zeremonien und allerlei Missbräuchen so sehr vermischt und dadurch verdunkelt worden ist, dass sie den früheren Namen im Wesentlichen verloren hat”.

Als legitim galt vor allem die magia naturalis, der die magia innaturalis oder magia diabolica gegenübergestellt wurde. Im allgemeinen Sprachgebrauch werden die beiden letztgenannten oft als Zauberei bezeichnet, worunter man hier die Nutzung der übernatürlichen Welt in einer weitgehend egoistischen, den Mitmenschen schadenden Weise versteht.

Daher wird der Begriff Magie heute meist mit einem abwertenden ethischen Urteil verbunden, während der Begriff Magie im oben dargestellten Sinne in der Regel ohne Werturteil verwendet werden kann.

Sehr selten finden wir in der Literatur den Archetyp des Magiers im Vergleich zu dem des wissenschaftlichen Forschers. Beiden gemeinsam ist jedoch der Wunsch, die Umwelt zu kontrollieren, sie zu “manipulieren” und in den Dienst des Menschen zu stellen. Dennoch unterscheiden sich ihre Methoden erheblich: Trotz des Festhaltens an traditionellen Mustern muss der Magier in seiner rituellen Praxis in nicht unerheblichem Maße auf künstlerischen Ausdruck und Intuition zurückgreifen. Der Forscher hingegen verlässt sich ausschließlich auf die systematische Beobachtung, die kontrollierte und bewusste Variation äußerer Umstände sowie die leitende Logik gezielter Handlungen.

XII. Fazit

Unabhängig von jeder moralischen oder intellektuellen Bewertung muss man zu dem Schluss kommen, dass Magie eine Tatsache unserer Geistesgeschichte ist und dass sie im Leben der gesamten Menschheit eine wichtige Rolle gespielt hat. Schon aus diesem Grund sollte eine ernsthafte theoretische und praktische Beschäftigung mit der Magie nicht nur ihren Gegnern oder unkritischen Phantasten überlassen werden.